Aktuelle Projekte
Vergleichende Forschungen zur katholischen Kirche in Ost- und Westdeutschland im 20. Jahrhundert
Am Institut für katholische Theologie wird die Geschichte der katholischen Kirche in der DDR in vergleichender Art und Weise erforscht. Nach einer ersten Phase der Aufarbeitung und grundlegenden Erforschung der katholischen Kirche in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und späteren DDR in den vergangenen drei Jahrzehnten steht nun ein komparativer Blick im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Der christliche Glaube stellte für die katholische Kirche in der Ost und West, in der DDR und der Bundesrepublik eine verbindende Klammer dar. Dennoch entwickelten sich dies- und jenseits der innerdeutschen Grenze zwei verschiedene Katholizismen mit unterschiedlichen Antworten auf kirchliche, politische und gesellschaftliche Herausforderungen. Durch vergleichende Forschungen kommen nun Gemeinsamkeiten und Spezifika von Ost und West jeweils deutlicher in den Blick. Damit greifen die zeitgeschichtlichen Forschungen des Hamburger Instituts für katholische Theologie die vielfältigen Fragen nach dem politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Verhältnis von Ost- und Westdeutschland auf und leisten aus Sicht der katholischen Kirchengeschichtsschreibung einen kritischen Beitrag. Die zeitgeschichtlichen Forschungen, die auf einen eigenen Quellenbestand in Hamburg zurückgreifen können, werden durch vielfältige philosophische Forschungen ergänzt.
Lübecker Märtyrer - Geschichte, Bedeutung und Rezeption
Am 10. November 1943 wurden vier Geistliche aus Lübeck in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg am Holstenglacis hingerichtet. In Zusammenarbeit mit der Erzbischöflichen Stiftung der Lübecker Märtyrer stellt das kirchengeschichtliche Forschungsprojekt eine wissenschaftlich fundierte und quellenbasierte Auseinandersetzung mit der Geschichte, Rezeption und Bedeutung der vier 1943 hingerichteten Lübecker Geistlichen und der 18 mitverhafteten Lübecker Laien dar. Das 2023 gestartete und auf zwei Jahre angelegte Forschungsprojekt weitet den bisherigen Forschungsstand durch neue Quellen und Perspektiven. Es wendet sich dabei sowohl an ein wissenschaftliches Fachpublikum, als auch an zeit- und regionalgeschichtlich interessierte Personen und Gruppen in Lübeck, Hamburg und Umgebung. Durch Fragestellungen, die über das regionalgeschichtliche Beispiel der vier getöteten Geistlichen hinausgehen, vernetzt sich das Projekt mit anderen nationalen und internationalen Forschungen zu Märtyrern im 20. Jahrhundert.
Der Europäische Hilfsfond (EHF) – Ein Beitrag zur europäischen Caritasgeschichte im 20. Jahrhundert
Der Europäische Hilfsfond stellt ein in der historischen Forschung bislang kaum beachtetes internationales Drehkreuz für kirchliche Hilfsleistungen über die Grenze des Eisernen Vorhangs in die Länder Mittel-, Süd- und Osteuropas dar. Von 1971 bis 1995 wirkte der EHF weitgehend im Geheimen und transferierte durch ein vielfältiges Antrags- und Verteilungssystem Geld, materielle und immaterielle Hilfsleistungen in einem Volumen von knapp 600 Millionen D-Mark. Der Europäische Hilfsfond war ein Gemeinschaftswerk der Österreichischen und Deutschen Bischofskonferenz und stellte den Vorläufer des 1994 gegründeten bischöflichen Hilfswerkes Renovabis dar. In einem aktuell laufenden Forschungsprojekt soll die Geschichte, Bedeutung und Wirkung dieser Einrichtung mit ihrer dezidiert caritativen und europäischen Zielsetzung analysiert werden und auf diese Weise ein Beitrag zur Caritasgeschichte im 20. Jahrhundert geleistet werden.
Katholizismus in zivilisationssoziologischer Betrachtung
Norbert Elias, der Urheber der Zivilisationssoziologie, sah im historischen Prozess seit der frühen Neuzeit Mechanismen am Werk, die einen immer stärker ausdifferenzierten Verhaltensstandard und ein damit einhergehendes Maß an zunehmender Selbstkontrolle begünstigen. Das Projekt erschließt diesen Forschungsansatz für das sogenannte "katholische Milieu" zwischen 1848 und 1933. Unter Rückgriff auf die Methodik der oral history wird deutlich, dass katholische Menschen in den deutschsprachigen Ländern einen Prozess der Zivilisierung durchliefen, der sich durch externe Faktoren (Säkularisierung, Buchdruck, ultramontane Theologie) enorm beschleunigte. Eine populärwissenschaftliche Monographie zum Thema liegt bereits vor, das Thema wird im Anschluss durch weitere Studien und Forschungskooperationen vertieft.
Apokalyptik in religiöser und säkularer Perspektive
Während die Apokalyptik im ursprünglich religiösen Kontext auf ein Ende der Zeiten abzielt, das erhofft wird und auf Vollendung hin angelegt ist, vollzieht sich im 20. Jahrhundert - spätestens mit Spenglers " Der Untergang des Abendlandes" (1918) - eine Wende hin zu Untergangsszenarien ohne Hoffnung auf ein transzendentes Heil. Das derzeit in Erarbeitung befindliche Projekt zeichnet verschiedene Szenarien dieser säkularen Apokalyptik im Allgemeinen (Geschichtsphilosophie) und Konkreten ("Atombombe", natürliche Ressourcen, liberale Demokratien) nach und stellt im Anschluss die Frage, inwieweit die religiöse endzeitliche Hoffnung als Korrektiv dieser rein negativistischen Bilder dienen kann. Eine Monographie ist in Arbeit, das Thema soll im Kontext interdisziplinärer Forschung weiter vertieft werden.
Gastfreundschaft als Medium und Modell von Kommunikation und Networking im Urchristentum
Gastfreundschaft hatte in der griechisch-römischen Antike sowie im antiken Judentum einen unbestritten hohen Stellenwert und stellte im Zusammenleben der Menschen eine essentielle gesellschaftliche Institution dar. Auch das Neue Testament enthält viele Hinweise auf Phänomene von Gastfreundschaft: Verschiedene Aussagen in der Apostelgeschichte und in den Paulusbriefen lassen erkennen, dass Gastfreundschaft in den urchristlichen Gemeinden praktiziert wurde und diese insbesondere für reisende Missionare, die das Evangelium verkündeten, von existentieller Bedeutung war. Vor diesem Hintergrund untersucht das Forschungsprojekt, inwiefern die in der antiken Gesellschaft herrschenden Konventionen der Gastfreundschaft die Strukturen des Zusammenlebens urchristlicher Gemeinden beeinflussten und welche historische Bedeutung der Gastfreundschaft für die ersten Christen und die urchristliche Traditionsvermittlung zukam. Das Projekt verspricht neue Perspektiven und Einsichten auf Prozesse sozialer Vernetzung urchristlicher Gemeinden, die Entwicklung innerer Strukturen und die Bedingungen ihrer Ausbreitung.